Woche 1





TAG 1, Monat, 29.10.07


Mein erster Auftrag lautete schlicht und einfach, pünktlich um 13:00 in Thun, auf dem dortigen Waffenplatz einzurücken. Dies war jedoch einfacher gesagt als getan, denn das Militärgelände in Thun war so riesig, dass es sogar zwei Bushaltestellen (in eine Richtung) besass. Das Areal war in mehrere einzelne Kasernen aufgeteilt und natürlich gab einem der Marschbefehl keinen Aufschluss darüber, wo genau sich der Treffpunkt befand. Prompt landete ich deshalb am falschen Ort und musste feststellen, dass die dort zuständigen Soldaten, eben so keinen Schimmer hatten wie ich.
Zwei weitere Versuche und eine Busfahrt später, erreichte ich endlich (leider) mein Ziel. Bereits hatten sich dutzend andere Rekruten eingefunden, die an Tischen gedrängt, Formulare ausfüllten. Wie schon zweimal zuvor(!) (Aushebung und kurz vor der Rekrutierung) wurde man genötigt den aktuellen Beruf, so wie Hobbys, Sprachen und andere Dinge, anzugeben. Immerhin hatten sie es geschafft, den Namen (und sogar richtig geschrieben) auf die Formulare zu drucken.
Hier ein Tipp für jene die nicht „weiter machen“ wollen. Auf Sprachen wird sehr geachtet, wer also die italienische oder sogar französische Sprache beherrscht, dem kann ich nur raten dies zu verschweigen.
Danach wurde die ganze Kompanie in kleinere Gruppen aufgeteilt und einem Obergefreiten (zwei Ränge über einem Soldaten) zugeteilt. Dieser brachte einem kurz die grundlegenden Dinge wie z.B. das Grüssen bei. Darauf folgte ein langer, auf verzweifelt lustig getrimmter Vortrag über die Kaserne Jassbach, welcher vom Kompaniekommandanten persönlich vorgetragen wurde. Jedoch war dieser an Langeweile kaum zu übertreffen und das kurz auftauchende rassistische Bildmaterial, bestätigte wieder einmal meine Vermutungen.
Na gut einen innerlichen Lacher gab es dann doch: „Aber wenn sie jetzt glauben, dass sie hier einfach ihr Gehirn abschalten können, dann denken sie falsch. Denn in der elektronischen Kriegsführung (EKF) muss jeder einzelne mitdenken!“ Genau! Jeder muss mitdenken… er darf sich nur nicht äussern. Aber im Ernst, hätte ich diese Aussage damals schriftlich verlangt, wäre es mir um einiges leichter ergangen.
Etwa zwei Stunden später bekamen wir unsere persönliche Waffe, von unserem „Präsentationgenie“ überreicht. Wenn ihr euch nun fragt, was in der Zwischenzeit geschehen ist, nun zuerst gab es ein köstliches Mittagessen (würg) und darauf durften (mussten) wir eine halbe Stunde lang üben, wie wir das Gewehr am besten entgegen nehmen! Soll heissen, es gab als erstes eine theoretische Einführung: nah an den Hauptmann heran treten, Augenkontakt suchen, grüssen, Arme ausstrecken, Gewehr entgegen nehmen, weiter gehen. Um diesen überaus schwierigen Prozess zu verinnerlichen, durfte eine Trockenübung (ganzer Ablauf einfach ohne Gewehr) natürlich nicht fehlen. Ganz entfern glaubte ich mit zu erinnern, dass jemand etwas von „denken“ gesagt hatte, aber bevor die Antwort kam, fuhr mein Gehirn schon in den Standby-Modus.
Das nächste an was ich mich erinnern kann, war ein grosser Raum, der voller grüner Klamotten war. „Tarnanzüge (TAZ)“, meldete mein Gehirn und verabschiedete sich so gleich wieder.
Die Kaserne Jassbach war das nächste und letzte Ziel unserer kleinen Reise. Auf die Ladefläche eines Laster gepackt, kamen wir kurz nach 21:00 in der Kaserne an. Ein Bett zeichnete sich vor meinem inneren Auge ab, denn stehen und Langeweile machen bekanntlich müde, doch weit gefehlt. Denn die offizielle Nachtruhe sollte erst eine Stunde später beginnen und so wurde noch eine kleine Übung mit dem Gewehr eingelegt. Gut, dachte ich mir. Eine Stunde ist ja kein Problem, ne kurze Übung und dann noch einrichten. Leider sind sämtliche Militärangehörige ziemliche Pfeifen was das schätzen von Zeit angeht und so dauerte es noch über zwei Stunden, bis die Übung beendet, die Zimmer eingeräumt und ein Zimmer-Chef (was kein ehrenvoller Job war, wie sich nur 10 Minuten später herausstellen sollte) bestimmt war.
Um 23:45 wurden alle Zimmer-Chefs, in den Flur gerufen, während der rest ruhig im oder vor dem Bett warten musste (man durfte nichts machen, weder lesen, noch Musik hören, es galt einzig und alleine Ruhig zu sein). Diese Prozedur wurde Abendverlesung oder kurz ABV genannt. Abegnommen wir das ABV vom Einheitsfeldweibel (selbst ernannter Psychopath), dieser wollte nun von jedem Vertreter den Bestand des Zimmers wissen. Natürlich wurde dabei eine gewiesse Disziplin und Art verlangt, die niemandem bekannt war (War jetzt denken angesagt? Natürlich nicht!). Denn dies war alles nur eine Falle, in welche das duzend Zimmer-Chefs feucht, fröhlich hinein liefen. Es gab keine Chance beim ersten Versuch alles Richtig zumachen, da es weder eine der üblichen Instruktionen gab, noch hatte irgendjemand Erfahrung darin. So gab der Hauptfeldweibel uns eine Präsentation seiner kräftigen Stimmbänder. In einer Lautstärke, welche die Wände zum zittern brachten, jagte er die Rekruten zurück in ihre Zimmer und lies sie noch einmal von vorne beginnen. Und bei jedem erneuten Fehler, wurde das Gebrülle noch eine Stufe lauter. Es verging eine halbe Stunde, bis die alles durchdringenden Schreie des Psychopathen endeten.
Ein komisches Gefühl hatte sich während dieser Zeit in mir breit gemacht. Es war purer Hass und ich stellte mir regelrecht vor, wie ich aus dem Bett aufspringe und dem Schreihals ein Messer in den Rücken ramme. Erst Klänge meines MP3-Players konnten mich wieder beruhigen.






TAG 2, Dienstag 30.10.07


Es war 6:00 morgens, als ich unsanft aus dem schlaff gerissen wurde. Innert 15 Minuten galt es sich im TAZ im Speisesaal einzufinden, wo das Frühstück bereit stand. Dieses war karg gehalten und ist mit dem Buffet eines 2 Sterne Hotels zu vergleichen. Aber man hatte Hunger und ganz nach dem Sprichwort „Hunger ist der beste Koch“, schmeckte es besser als es aussah.
Bereits um 7:00 mussten sich alle drei Züge (Gruppen bestehen aus etwa 30 Personen, zusammen 1 Kompanie) draussen auf dem Exerzierplatz einfinden, um die Morgenverlesung abzuhalten. Als erst es galt es das Kunststück zu vollbringen, alle drei Züge in perfekter vierer Kolone nebeneinander aufzureihen. Wie sich jeder denken kann, scheiterten wir kläglich, was dem Einheitsfeldweibel die Gelegenheit gab aus zu ticken (nie ist ein Sturmgewehr da, wenn man es braucht).
Darauf wurde, wie immer am Anfang einer Woche, eine Schweizer Flagge in Begleitung der Nationalhymne hochgezogen. Ich muss sagen, es war ein überaus amüsanter Anblick, denn es war absolut Windstill und die Fahne hing schlapp am Mast hinunter.
Die nächsten zwei Stunden fanden verschiedene Führungen durch die Kaserne statt, wo uns z.B. der Feueralarm erklärt wurde (eine böse Vorahnung kam in mir hoch). Zu unserer aller Freude (hust), bekamen wir noch eine halbe Wagenladung unnützes Zeugs aufgehalst, welches wahllos in die neuen Kampfrucksäcke (meiner wurde 1992 produziert!) gestopft wurde. Auch ein Bajonett wurde jedem von uns überreicht, welche uns aber später mehr Probleme, als Nutzen bereiten würden. Allerdings warf sich mir die Frage auf, welchen Nutzen es überhaupt mit sich brachte. Wir leben im 21. Jahrhundert, wer ist da schon so blöd und springt, nach dem er das Magazin verschossen hat, mit dem Bajonett am Gewehrlauf über den Schützengraben, um nach dem ersten Meter erschossen zu werden? Ich konnte mir allerdings die Frage bei einem Blick auf unseren ehrenwehrten Einheitsfeldweibel, selbst beantworten. Der Typ hatte eine Grenadier Ausbildung hinter sich und sah auch genau so aus, wie man sich einen Grenadier vorstellte. Mehr gross als breit (und ich meine kein Fett), voll Glatze und dann dieses hinterhältige Baby-Face.
Als sich nach 6 qualvollen Stunden mein Magen meldete und mir meine Augen beim Blick auf die Uhr, 12:00 verkündeten, machte sich ein wahres Gefühl der Freude breit. Allerdings endete es kurz nach dem betreten des Speisesaals. Ich könnte mich jetzt an dieser Stelle ordentlich über das Essen (Essen?) auslassen, doch war es mir in diesem Moment egal. Ich hätte jede Pampe gegessen.
Am Nachmittag galt es eine Art Umhänge-Gurt, welcher mit vielen Taschen versehen war, zusammen zusetzten. Wie zu erwarten fehlten bereits bei einigen die ersten Materialien, darunter auch einige Bajonette. Nicht so schlimm, dachten sich im ersten Moment die Wachmeister und Obergefreiten und beliessen es bei einer kurzen Notiz (genau, dann liegen halt irgendwo ein paar scharfe Kriegsmesser rum, wen juckst). Danach folgten einige (Trocken-)Übungen mit dem Gewehr (Laden, Entsichern, Schuss! bäh, es gibt nichts Schlimmeres).
Um 18:15 stand das Abendessen an, auf welches ich aber ehrlich gesagt keine Lust hatte, da ich eine leichte Depression verspürte.
Gleich nach dem Essen kam meine absolute Lieblings Beschäftigung, Schuhe putzen! Was aber zu diesem Zeitpunkt total unnötig war, da noch keiner im Dreck rumgekrochen, geschweige dehn darüber gegangen war. Somit putzen wir eine geschlagene halbe Stunde lang, die immer noch glänzenden Kampfstiefel. Ich dachte bereits, jetzt kann es ja nicht mehr schlimmer kommen und prompt kam es Schlimmer. Mein Zugführer kam auf die glorreiche Idee, dass wir nun die Zimmerordnung erstellen sollten (Zimmerordnung?? Wir haben doch schon eingeräumt!). Allerdings war mir ein wenig aufräumen immer noch lieber, als noch so eine bescheuerte Übungen. Doch hatte das ganze ehrlichgesagt mit aufräumen, nicht mehr viel am Hut. Die Sachen mussten nicht irgendwie und wo verstaut werden, sondern an einem, auf den Millimeter genau definierten Ort, in einer definierten Form und musste in einem definierten Winkel zu einem anderen Gegenstand ausgerichtet sein (Mir kam die Galle hoch!). Danach machte sich der Einheitsfeldweibel (ich sah in ihm nur noch ein überdimensionales, schreiendes Baby) und der Zugführer (er war ganz ok, übrigens war er auch mehr breit als hoch, allerdings aus einem anderen Grund als der Psychopath von einem Einheitsfeldweibel) daran, unsere Zimmer gründlich zu kontrollierten. Natürlich hatten sich hier und da noch ein paar Fehler eingeschlichen, was unser überausgeschätzter Einheitsfeldweibel, lautstark kommentierte. Also war ein zweiter Anlauf von Nöten, welcher dann gerade noch als „OK“ befunden wurde. Insgesamt war der ganze „Zimmerordnungs-Quatsch“ relativ human gewesen, immerhin dauerte es ja nur lächerliche 3 Stunden!!!






TAG 3, Mittwoch 31.10.07


Es war ungefähr 5:00 morgens, als ich abrupt aus meinen Träumen gerissen wurde. Erst nahm ich nichts war, doch dann ertönte ein langer, summender Ton. Ich dachte an einen etwas komisch klingenden Wecker und ich beschloss weiter zu schlaffen, da mich der Ton nicht wirklich störte (eigentlich eine ziemlich schlechte Eigenschaft für einen Alarm). Leider fühlten sich meine Zimmerkameraden gestört und so begann das rätseln nach der Herkunft des seltsamen Geräusches. Einen sehr langen Augenblick später, kamen wir auf die glorreiche Idee, dass es vielleicht der Feueralarm sein könnte (hmm, gab es nicht gestern eine Einführung zu diesem Thema?). Kaum ausgesprochen platzte unser Zugführer ins Zimmer und bestätigte unsere Vermutung.
Schnell schnappte ich mir meine Hose und den Kälteschutz und der Zugführer riet mir doch tatsächlich noch die Kampfstiefel anzuziehen (Hää?). Also nur ein Test, dachte ich mir und so kleidete ich mich gleich komplett ein (es war später Herbst und draussen herrschten minus Temperaturen). Auf dem Exerzierplatz fanden sich langsam alle ein. Die meisten hatten es mir gleich getan und sich die Zeit genommen, warme Kleider überzustreifen. Jedoch gab es eine Handvoll Rekruten, welche sich offensichtlich profilieren wollten und tatsächlich nur in Boxershorts erschienen.
Das Kader wartete bereits (vollständig und korrekt gekleidet) und wies uns an, in die uns bekannte vierer Gruppierung einzutreten. Gleich darauf folgte die Auflösung des getürkten Feueralarms (eine Übung? Dann geht es meiner Gamelle also gut?). Das witzige war, dass ich mir bereits Sorgen machte, da wir für unsere „Evakuierung“ ganze 15 Minuten benötigt hatten. Aber zu meinem Erstaunen trat das genaue Gegenteil ein und wir wurden tatsächlich gelobt.
Super, dachte ich mir, dann haben wir uns die restlichen 45 Minuten Schlaff redlich verdient. Aber weit gefehlt, ganz nach dem Motto ein Rekrut braucht keinen Schlaff verkündete einer unserer Wachtmeister stolz: "Grossartig! Nun wo wir schon alle wach sind, können wir gleich mit einigen Übungen beginnen (Neeeeiiiinnnn!!!!)."
Wenigstens durften wir uns zuerst korrekt einkleiden, bevor wir uns wieder alle auf dem Exerzierplatz einfinden mussten. Wir wurden einem der vier Obergefreiten unterstellt, welcher uns den Befehl erteilte, als Aufwärmung, einmal um den Platz zu rennen (zur Erinnerung, es war eisigkalt und ich konnte meine Gelenke regelrecht knirschen hören). Jedoch kam der Zug ohne zu Maulen der Aufforderung nach. Und ab diesem Moment sollte sich meine komplette Situation schlagartig ändern.
Ich hatte keine drei Meter zurück gelegt, da durch zuckte mich ein fürchterlicher Schmerz und ich stürzte zu Boden. Sofort versuchte ich wieder aufzustehen, doch es ging nicht, das rechte Bein schmerzte zu sehr. Ganz sanft stemmte ich mich hoch und versuchte einen Schritt zu gehen, doch das rechte Bein gab sofort nach. Mir war klar, ich hatte mir den Ischias-Nerv eingeklemmt. Eine mir nicht unbekannte Verletzung, die mir in diesem Moment aber gerade recht kam. So hüpfte ich auf dem linken Bein, zu meinem verdutzt dreinblickenden Obergefreiten zurück. Ich erklärte ihm den Sachverhalt, musste aber feststellen, dass er von Medizin eben so viel Ahnung, wie von einem korrekten Aufwärmtraining hatte. Schon machte sich in mir die Hoffnung breit, mich in meinem Bett ausruhen zu dürfen, doch anscheinend kann ein Rekrut auch mit nur einem Bein weiter kämpfen. Na gut, schlussendlich nahm er dann doch Rücksicht auf mich. Ich musste zwar vor Ort bleiben, musste aber bei keinen Übungen mitmachen, die irgendwie das Bein belasteten. Soll heissen, ich stand nur dumm da und schaute meinen Kameraden beim Sport zu, immer hin war schon bald Frühstückszeit.
Nach dem ich mich mühsam in die Kantine geschleppt, mein Frühstück hinunter gewürgt und ganze fünf Minuten gebraucht hatte wieder vom Stuhl aufzustehen, meldete ich mich bei meinem Zugführer. Von diesem erhoffte ich mir schnelle Hilfe, jedoch wurde mir erklärt, dass in Jassbach gar kein Arzt stationiert sei und erst ein Gesuch in Thun gestellt werden müsse. Schnellst möglich füllte ich den Wisch aus und hoffte, dass noch am gleichen Tag etwas passieren würde (wider einmal vergass ich, wo ich genau war).
Die Stunden bis zum Mittag waren sehr schmerzhaft gewesen, denn ausser stehen und sitzen war nicht mehr drin und alles was sonst noch über normales gehen hinausging, verweigerte ich (ach, wie herrlich es doch sein kann, die Macht zu haben „Nein“ zu sagen).
Nach dem Mittagessen (ich war nicht hungrig gewesen, obwohl ich auch nicht viel beim Frühstück zu mir genommen habe) wurde mit vom Zugführer klar gemacht, dass am nächsten Morgen die gesamte Kompanie nach Thun ausrücken würde. Dort würden Impfungen stattfinden und ich solle mich doch gleich an den dortigen Arzt wenden. Ich war genervt, aber es blieb mir nichts anderes übrig als dies zu akzeptieren.
Leider galt es für mich weiter hin bei den Übungen anwesend zu sein, zu meinem Glück wurden in den Stunden bis zum Abend nur Übungen mit dem Gewehr gemacht, in denen man nur stehen musste (obwohl es nicht angenehm war).
Um 20:00 stand ein kleiner Ausgang an. Die ganze Kompanie verliess die Kaserne und zwängte sich in die einzige Bar, im Umkreis von einigen Kilometern, die nicht einmal zehn Schritte vom Seitenausgang unserer neuen Heimat entfernt lag. Dennoch war es ein grandioses Gefühl etwas Freiheit zu spüren. Leider war nach drei Stunden schon alles wieder vorbei und ich quälte mich mühselig in mein Bett (warum wollte ich auch ausgerechnet im oberen schlaffen). Die Nacht war nicht besonders erholsam, ich hatte merkwürdige Träume (es hatte irgendwas mit dem Feldweibel und Dreck zutun gehabt) und bei der kleinsten Bewegung erwachte ich vor Schmerzen.






TAG 4, Donnerstag 01.11.07


In den ersten Sekunden nach meinem erwachen glaubte ich meine Schmerzen los zu sein. Mit überschwänglichem Optimismus sass ich im Bett auf und sackte sofort unter Schmerzen in mein Kissen zurück. Mit Mühe gelang es mir aus dem Bett zukommen und stand nun vor der Herausforderung meines Lebens: Die Hose anzuziehen.
Zusammen mit den Schuhen brauchte ich über eine halbe Stunde und musste mich nun zum Speisesaal runter kämpfen. Die Zeit wurde langsam knapp und so würgte ich das Frühstück (ein Lichtschimmer, es gibt Erdbeerenjogurt, juhu!!) hinunter. Noch gerade rechtzeitig schaffte ich es zur Morgenverlesung, worauf die Abfahrt nach Thun folgte. Kaum noch erwarten konnte ich es, die verdammten Schmerzen los zu werden. Auch zwei Leidensgenossen hatte ich gefunden, welche mit chronischen Rückenproblemen zu kämpfen hatten und ebenfalls auf einen Arzttermin hofften.
Aber wie so oft, in meinen gerade mal vier Tagen Militärdienst, kam alles anders. Der dortige Arzt weigerte sich mich ohne Termin zu behandeln und pochte darauf, dass ich erst einen neuen aus machen müsse (der Drang zum Morden steigt, steigt, … ach scheiss egal). Dann humple ich halt weiterhin als Krüppel durch die Gegend. Und wen ihr glaubt, es war schon witzig mehr Zeit zum aufstehen, als zum Essen zu benötigen, dann denkt erst wie spassig ein Besuch auf dem Klo war.
Genervt kehrte ich also zu meiner Gruppe zurück und meldete mich erst einmal bei meinem Zugführer. Dieser konnte mir (wär hätte es gedacht) natürlich nicht weiter helfen.
Aber natürlich wurde ich sofort entschädigt, mit einem leckeren Mittagessen. Oh, nein, wartet, da habe ich wohl etwas verdrängt. Denn eigentlich war es ein total widerliches Essen, dass man nicht einmal einem Hund vorgesetzt hätte (Aber wir sind ja weniger wert als Hunde, schliesslich sind wir AdA‘s, was in der Öffentlichkeit fälschlicherweise mit „Angehöriger der Armee“ übersetzt wird. In Wirklichkeit steht es aber für „Arsch der Armee“.).
Aus purer Grosszügigkeit wurde uns die Seltenheit von einer ganze Stunde Mittagspause gegönnt, dumm nur, dass unsere Zimmer, mit den guten, alten Unterhaltungselektroniken und vor allem den Betten(!), eine halbstündige Autofahrt entfernt waren. So machten wir es uns, so gut es ging, im Kasernenhof gemütlich.
Am Nachmittag war eigentlich geplant, dass wir unsere Anzüge für den Ausgang fassen, doch waren noch ein paar hundert Rekruten vor uns an der Reihe (ach wie sehr ich doch die geniale Planung der Armee bewundere). Flexibel wie unser Kader jedoch war, änderten sie schlag artig ihre Tagesplanung und ersetzten sie durch Übungen, Übungen und nochmals Übungen. Natürlich lehnte ich jegliche Manöver ab, die mein leiden weiter verschlimmert hätten.
So vergingen schliesslich noch ganze 6 Stunden bis wir unsere Ausgangs Klamotten fassen und beinahe noch einmal so lange, bis wir unsere Rückreise antreten konnten.
Es war ungefähr 23:00, als wir eng in unserem Laster verfrachtet, in die Kaserne zurückkehrten. Als erstes füllte ich erneut einen Antrag für einen Arztbesuch und zusätzlich für einen bei einem Psychologen aus. Mir ging es so wohl körperlich, als auch geistig nicht besonders gut. Die Wut die ich anfangs auf alles und jeden verspürte, hatte eine 180° Wendung gemacht und ein grosses, leeres Loch hinterlassen. Noch kurz das ABV hinter mich gebracht und endlich war Nachtruhe.






TAG 5, Freitag 02.11.07


Der Tag begann ungewohnt sonnig und mein Leiden hatte sich etwas gemildert. Zu dem war heute ein ganz besonderes Datum, ein ganz spezieller Tag, mein Geburtstag.
Der Morgen lief äusserst ruhig ab. Nur Theorie stand auf dem Stundenplan, mit vielen Pausen dazwischen, es war einfach super. Danach folgte eine Mittagspause von sage und schreibe eineinhalb Stunden. Während ich zum Mittagessen antrabte, gratulierte mir einer meiner Obergefreiten sogar (ich war ehrlich überrascht). Nach dem Essen (es schmeckte etwas besser als sonst), holte am internen Postschalter ein Packet meiner Eltern ab. Darin ordentlich Süsses und eine kleiner Kuchen, samt einer Schachtel Kerzen. Viel hatte ich jedoch nicht davon, da ich, wie es sich im Militär gehörter, alles kameradschaftlich mit den anderen Insassen (Entschuldigung ich meinte Rekruten) teilte. Jetzt fehlte nur noch die Bestätigung für meinen Arzttermin, doch auf diesen wartete ich an jenem Tag hoffnungslos.
Am Nachmittag wurden ein paar kurze Übungen abgehalten und dann folgte die Schreckens Nachricht. Bereits einige Tage zuvor hatte ich etwas vermutet, doch nun wurde es zur bitteren Wahrheit. Die "verschwundenen" (ich würde sagen nie „ausgeteilten“) Bajonetten war dem Kader oder besser gesagt dem „höheren“ Kader, sprich dem Kompaniekommandanten (Präsentationgenie) wohl doch nicht ganz so egal gewesen. Nun galt es für sie ihre Unschuld an der ganzen Sache zu beweisen, unter was wir natürlich zu leiden hatten.
Was im Detail für uns hiess, unsere sämtlichen Sachen aus unseren Zimmern (und ich meine alle Sachen(!!), ein Wunder das wir die Möbel drin lassen durften) auf den Waffenplatz zu schleppen und dort sorgfältig ausbreiten mussten. Unter „sorgfältigem ausbreiten“ muss man sich dies natürlich in Militärverhältnissen vorstellen. Was bedeutete, dass als erstes ein Muster aufgebaut wurde und wir alles mit unserem Material exakt nach bilden mussten.
Dann wurde alles kontrolliert, bis auf den Wäschesack, dabei wäre der gross genug gewesen, um ein ganzes Bündel Messer darin zu verstecken. Die ganze Prozedur dauerte bis spät in die Nacht und das Ergebnis fiel aus, wie ich es mir gedacht hatte. Ich bereue es noch heute, dass ich mit keinem der Obergefreiten eine Wette abgeschlossen hatte, denn es wurde nichts, rein Garnichts gefunden. Wie es sich gehörte entschuldigte sich das ganze Kader bei uns, trugen alle unsere Sachen zurück ins Zimmer und bereiteten uns noch einen Mitternachts Snack … oh, ich bin wohl eingeschlafen. Wie es sich fürs Militär gehört wurde alles schön unter den Teppich gekehrt und niemand vom Kader macht auch nur die kleinsten Anstalten, irgendein Wort der Entschuldigung oder des Schuldeingeständnisses an uns zu verlieren. Dabei ist die Kameradschaft (ich glaube dazu gehört auch Ehrlichkeit und Vertrauen), dass höchste Gut im Militär und von Gesetzes wegen sogar vorgeschrieben. Aber ich bin mir nun sicher, dass im Militär dieser Begriff ohne jegliche Bedeutung verwendet wird und nur dazu dient, den Rekruten Respekt und Vertrauen gegenüber seinen Vorgesetzen aufzuzwingen.
Kurz gesagt, egal was passiert und wie unschuldig ihr auch sein mögt, für die Oberen (und hier meine ich ganz besonders alles mit und über dem Hauptmann), wird man als Rekrut immer der Schuldige sein.






TAG 6, Samstag 03.11.07


Endlich, endlich war Samstag(Juhu!!). Noch nie hatte ich mich so sehr über einen Samstag gefreut. In Windeseile würgten wir das Frühstück hinunter und brachten die unsägliche Kasernenreinigung mit Bravur hinter uns. In unserer „Ausgangs“-Kleidung quetschten wir uns in die zivilen Busse, welche uns nach Thun, zum Bahnhof brachten.
Ich war endlich wieder Frei!!!!!! Vorübergehen zumindest.